Das Schlafzimmer

Was Bekleidung mit Plastik und (Un-)Gerechtigkeit zu tun hat.
Von Achim Schubarth, Bezirk Schwabach/Weißenburg

Das Thema „Kleid/Kleidung/kleiden“ wird in der Bibel gerne gleichnishaft als Bild verwendet, um bestimmte Botschaften zu verdeutlichen – wahrscheinlich, weil die Menschen schon immer und überall auf der Welt um den eigentlichen Zweck von Kleidung wissen und ihnen deshalb die „Übersetzung“ solcher biblischen Bilder nicht schwerfällt. Kleidung als Schutz vor Kälte und anderen äußeren Einflüssen lässt sich leicht als Synonym für den Schutz verstehen, unter dem sich Menschen in der Liebe Gottes wissen dürfen. Dass Kleidung für ihre Träger der Ausweis eines bestimmten Status‘ ist, ist auch schon immer so und findet sich ebenfalls in verschiedenen Bibelstellen wieder (wenn z. B. von Kleidern die Rede ist, die durch Jesu Blut weiß gewaschen sind und dadurch zum „Passierschein“ zum ewigen Leben werden).

Eher selten geht es in der Bibel „nur“ um den eigentlichen (Schutz-)Zweck der Kleidung. Beim Propheten Haggai, der nach meiner Beobachtung nicht allzu oft als Inspiration für Predigten oder Andachten dient, wird im 1. Kapitel tatsächlich die Tatsache thematisiert, dass die Menschen aus dem Volk Israel vor ca. 2550 Jahren anziehen konnten, was sie wollten, und trotzdem frieren mussten (Hag. 1,6); sie wollten nicht zuerst Gott dienen, sondern nach ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen leben.

Im Neuen Testament ist dieser Zusammenhang in deutlich bekannteren Versen in der Bergpredigt aufgenommen (Matth. 6,24-34). Hier klingt es nun auch ganz selbstverständlich, dass Kleidung nicht nur (wie bei Haggai vor Kälte) schützt, sondern auch ansprechend aussehen soll („prächtiger gekleidet als Salomo“!).

Man muss sich als Christ offensichtlich nicht den Kopf darüber zerbrechen, ob man sich zweckmäßig kleiden darf und ob diese Kleidung schick, modern oder einfach zeitlos schön sein darf (das darf sie). Es geht wie so oft um das „Wie“.

Auf keinen Fall gedankenlos. Denn wie alles, was der Mensch herstellt und nutzt, hat auch Kleidung Auswirkungen auf die Umwelt. Dies reicht von der Produktion über den Transport zum Kunden sowie im Gebrauch bis zur Entsorgung. Wie groß diese Auswirkungen sind, wird maßgeblich von zwei Faktoren bestimmt: vom Material, aus dem die Kleidung besteht, und von der Menge an Kleidung, die produziert (und später entsorgt) wird.

Fangen wir beim Material an. Jahrtausende lang wurde Kleidung selbstverständlich aus Naturstoffen gefertigt (Felle, Leder, Schaf- und Baumwolle, Leinfaser = Linnen, Seide etc.). Das ist seit einigen Jahrzehnten nicht mehr so. Heute werden jährlich allein für die Bekleidungsindustrie weltweit über 8 Millionen Tonnen Polyester produziert (neben Polyamid und Polyacryl der in dieser Branche meist verwendete Kunststoff). Zum Vergleich: In Deutschland wiegen alle Kleidungsstücke, die jährlich gekauft werden, zusammen 800.000 Tonnen. Man kann sich ausmalen, wie hoch hierbei der Materialanteil von Kunststoff ist.

Womit wir zur Menge kommen. Während die Zahl von 800.000 Tonnen Kleidung pro Jahr in Deutschland noch unvorstellbar und abstrakt erscheint, wird sie in folgender Erläuterung greifbar: Jede/r Deutsche kauft laut Statistik jährlich 60 (in Worten: sechzig) neue Kleidungsstücke! Ich kann das kaum fassen, wenn ich es mit meinem eigenen „Kleider-Konsum“ vergleiche. Es ist zweifellos angebracht, aufgrund dieser Zahl mal über den eigenen Kleider-Konsum nachzudenken.

Insbesondere, wenn man sich klar macht, dass die schiere Menge und der hohe Kunststoff-Anteil nicht die einzigen Quellen für Mensch- und Umweltbelastungen sind. Auch die Farben, mit denen Textilien gefärbt werden, sind häufig extrem wasserschädlich und giftig für die Textil-ArbeiterInnen; der Anbau von Baumwolle verbraucht sehr viel Wasser und geht i. d. R. mit hohem Pestizid-Einsatz einher; weil der Großteil der Bekleidungsindustrie in Asien angesiedelt ist, verursacht der Transport der Kleidung von dort in die Haupt-Absatzmärkte (Europa, Nordamerika) erhebliche CO2-Emissionen; diese werden nochmals erhöht durch den Trend, sich neue Klamotten ins Haus liefern zu lassen und bei Nichtgefallen postwendend zurückzuschicken. Bewegung im Freien – Joggen, Mountain-Biking, Wintersport – lässt die Nachfrage nach Outdoor-Funktionskleidung ständig steigen, die aber meist einen besonders hohen Kunststoff-Anteil und zusätzlich Imprägnierung aufweist, was durch das Waschen zusammen als giftiges Mikroplastik in die Gewässer gerät (35 % des Mikroplastiks in den Weltmeeren kommt aus dem Bekleidungsbereich). In Deutschland fallen jährlich über 1,3 Mio Tonnen Altkleider an, die bei Weitem nicht alle recycelt werden können (meist zu Putzlappen), insbesondere wegen der Kunststoff-Anteile.

Es liegt auf der Hand, wie wir alle auf diese gewaltige Umweltproblematik reagieren können: nicht mehr als nötig neue Kleidung kaufen, dabei bevorzugt Naturmaterialien wählen, darauf achten, dass sie aus europäischer Produktion stammen und möglichst ein einschlägiges Öko-Siegel tragen (z. B. IVN Best, GOTS, Made in Green). Bei außereuropäischen Baumwoll-Produkten sollte man/frau sich auf fair gehandelte Ware beschränken. Wer seine/ihre Naturverbundenheit unbedingt mit seinem/ihrem Drang nach sportlicher Betätigung im Freien verbinden will, sollte bei der Wahl der notwendigen Outdoor-Kleidung wenigstens Wert darauf legen, dass sie PFC-frei imprägniert ist. Ohne Kunststoff ist Fleece oder Funktionskleidung nicht zu haben. Diesen Kompromiss müssen auch der naturverbundene Jogger und die Mountain-Bikerin eingehen. Stichwort „Imprägnierung“: sie wirkt – im übertragenen Sinn – auch gegen die von fast fashion verursachte Umweltbelastung. Ich meine die Imprägnierung der eigenen Persönlichkeit gegen das Mode-Diktat, das von Konzernen wie Zara und H&M ausgeübt wird. Einen guten eigenen Geschmack zu entwickeln, seinen persönlichen, individuellen Style zu finden, nützt nicht nur der Umwelt, sondern hilft auch dabei, zur starken Persönlichkeit zu reifen, die nicht mehr jede der bis zu 24 Kollektionen haben muss, die besagte Mode-Konzerne jährlich auf den Markt werfen.

Ich persönlich habe – um beim Outdoor-Thema zu bleiben – die Erfahrung gemacht, dass man Bewegung im Freien gut mit ganz wenig Kunststoff-Kleidung genießen kann. Als Student bin ich 5000 km durch Europa geradelt, in ganz normalen Straßenklamotten. Wenn ich mich heute mit meinen Kindern auf unsere jährlichen Fernwanderungen begebe, dann tut es auch eine bequeme Jeans oder Shorts und Poloshirts; und nur in den Wanderschuhen steckt GoreTex. Geht auch und macht trotzdem Spaß!

Autor: Achim Schubarth, Bezirk Schwabach/Weißenburg