Life in plastic – it’s fantastic

Wie ich ver­such­te Plas­tik zu fas­ten
Ein Erfah­rungs­be­richt von Naddl Storz

Jedes Jahr im Janu­ar über­le­gen mein Mann und ich, wor­auf wir in die­sem Jahr mal bewusst ver­zich­ten möch­ten. Dabei ging es klas­sisch los mit Fleisch (Ha! Als Vege­ta­ri­er ja kein Pro­blem), Alko­hol und Zucker, ging über in Social Net­works und Mul­ti­me­dia-Gerä­te, vor­bei an Schimpf­wör­tern und nega­ti­ver Ein­stel­lung und lan­de­te dann 2016 beim Ver­such, Plas­tik zu fasten.

In die­sem aller­ers­ten Ver­such ging es haupt­säch­lich um den Ver­zicht von „Ein­mal-Plas­tik“, sprich Ver­pa­ckung, die nach dem Trans­port nach Hau­se weg­ge­wor­fen wird. War­um soll ich die Oran­ge mit ihrer fas­zi­nie­ren­den Scha­le noch­mals in knis­tern­des und so schön glän­zen­des Plas­tik, bzw. Kunst­stoff, packen? Wes­halb gibt es Läden, in denen ich eine geschäl­te Bana­ne in einer künst­li­chen Ver­pa­ckung kau­fen kann? Und wie­so sind in den Ver­pa­ckun­gen oft noch­mals extra Plas­tik­scha­len oder klei­ne­re Men­gen sepa­rat ver­packt? Dass bei die­sem Lebens­stil Fer­tig­pro­duk­te außen vor waren, war recht schnell klar, für uns aller­dings auch kei­ne all­zu gro­ße Umstel­lung. Außer bei den heiß gelieb­ten Maultaschen!

Beschäf­ti­gen wir uns mit einem klas­si­schen Wochen­ein­kauf (ohne Fer­tig­pro­duk­te). Gut, im Dis­coun­ter kommt man da nicht weit, wenn man auf all die Kunst­stoff­ver­pa­ckun­gen ver­zich­ten möch­te. Auch im Super­markt stößt man bereits kurz nach dem Betre­ten des Fri­sche-Bereichs auf vie­le durch­sich­ti­ge Ver­pa­ckun­gen. Die zu mei­den war nun also das Ziel und ließ sich nach ein paar auf­merk­sa­men Super­markt-Besu­chen und dem „Üben in Ver­zicht“ durch­aus bewerk­stel­li­gen. Außer­dem kann man sein Obst und Gemü­se ja auch „ein­fach“ auf dem Markt kau­fen – wenn man zur rech­ten Zeit am rech­ten Ort ist, was aber manch­mal gar nicht so ein­fach ist, wenn man auf dem Land lebt, man an gewis­se Arbeits­zei­ten gebun­den ist oder gera­de mal wie­der der Baby­sit­ter abge­sagt hat. Ach, und mit dem Par­ken ist es am Super­markt auch viel leichter.

Mir bzw. uns war von Anfang an wich­tig, dass sich die­ses plas­tik­ar­me Leben tat­säch­lich in unser aktu­el­les Leben inte­grie­ren lässt, ohne auf all­zu viel ver­zich­ten zu müs­sen, vie­le Umwe­ge zu machen oder sich bucke­lig zu schlep­pen. So steht man also im Super­markt vor Obst und Gemü­se und hat auf ein­mal nur noch eine klei­ne Aus­wahl an mög­li­chen Lebens­mit­teln, da selbst die von der Natur bereits ein­ge­pack­ten Lebens­mit­tel einen knis­tern­den Schutz­man­tel aus Kunst­stoff ange­legt bekom­men. Doch es geht irgend­wie. Schwie­ri­ger wird es bereits bei Grund­nah­rungs­mit­teln wie Nudeln, Lin­sen oder Reis. Die­se sind im Super­markt nur bedingt plas­tik­frei zu fin­den. Ein­zel­ne Nudel­mar­ken haben Papp­ver­pa­ckun­gen – jedoch mit Sicht­fens­tern aus Plas­tik. Wenn schon, denn schon, dach­te ich mir. Ich zieh‘ es durch und kau­fe hier kei­ne Nudeln. Und tat­säch­lich! Wenn man dann mal die drit­te oder vier­te Super­markt­ket­te abge­grast hat, weiß man irgend­wann, wo es bestimm­te Pro­duk­te auch plas­tik­frei gibt. Vor­aus­ge­setzt, man kann sich das bei die­ser Pro­dukt­viel­falt in unse­ren Super­märk­ten alles mer­ken und hat die Mög­lich­keit aus ver­schie­de­nen Anbie­tern auszuwählen.

Dosen und Ein­mach­glä­ser wur­den mei­ne Beglei­ter bei jedem Ein­kauf.  Ja, ich weiß, dass auch die „Plopp-Ver­schlüs­se“ oft mit Kunst­stoff abge­dich­tet sind, aber sonst wird’s irgend­wann echt eng! Als Vege­ta­rie­rin muss­te ich mich qua­si kom­plett von Käse und mein Mann als Nor­ma­les­ser von Wurst und Fleisch ver­ab­schie­den. Inzwi­schen gibt es auch dafür Mög­lich­kei­ten, aber vor vier Jah­ren hieß es nur: „Sie kön­nen schon Ihre eige­ne Dose mit­brin­gen. Damit machen Sie sich hier aber nicht sehr beliebt.“ Trotz­dem kann man auch an der Kühl­the­ke auf Milch, Sah­ne und Joghurt im Pfand­glas zurück­grei­fen, wenn man die nöti­gen Mus­keln oder einen Pack­esel mit­bringt, um die­se Gewich­te nach Hau­se zu schlep­pen. Frisch­kä­se lässt sich recht ein­fach mit ein wenig Säu­re und einem Ther­mo­me­ter zu Hau­se her­stel­len und mit Kräu­tern, getrock­ne­ten Toma­ten oder ande­ren Lecke­rei­en indi­vi­du­ell ver­fei­nern. Selbst gemacht schmeckt’s sowie­so am bes­ten (z. B. auch Maul­ta­schen). Süßig­kei­ten, Kek­se und Chips wer­den auf papier­ver­pack­te Scho­ko­la­de (qua­si auf null) redu­ziert, sodass gleich­zei­tig noch ein gesun­der Lebens­stil geübt wird.

Nach weni­gen Wochen fiel es mir wirk­lich schwer, auf man­che Sachen kom­plett ver­zich­ten zu müs­sen. So mach­ten wir einen Aus­flug zum ca. 30 km ent­fern­ten „Unverpackt“-Laden. Die­ser Besuch hat­te außer­dem den Effekt, dass wir rea­li­sier­ten, dass wir zwar Plas­tik ver­mie­den, es jedoch durch Alu­mi­ni­um, Glas, Kar­ton und ande­re Ver­pa­ckungs­ma­te­ria­li­en ersetz­ten. Im „Unverpackt“-Laden fühl­ten wir uns wie im Para­dies und füll­ten glä­ser­wei­se Reis, Süßig­kei­ten, Nudeln, Gewür­ze, Nüs­se und ande­re lang­le­bi­ge Lebens­mit­tel ab. Des Wei­te­ren beka­men wir dort auch einen Ein­blick in Alter­na­ti­ven für’s Bade­zim­mer: Von Sham­poo­sei­fen über Toi­let­ten­pa­pier, das nicht in Plas­tik ver­packt ist, zu Lip­pen­bal­sam aus Dös­chen. Auch Spül­mit­tel und Spül­ma­schi­nen-Tabs gab es dort zu kau­fen. Vie­le Freun­de kri­ti­sier­ten, das sei doch teu­er. Ich habe den Luxus eines gefes­tig­ten Ein­kom­mens und muss dank­ba­rer­wei­se nicht jeden Euro umdre­hen, wes­we­gen ich noch nie wirk­lich kon­kret nach­ge­rech­net, son­dern immer nur über­schla­gen habe. Ich habe aller­dings nicht den Ein­druck, dass die­se Art des Kon­sums wesent­lich teu­rer ist. Ich war aber auch nie eine Dis­coun­ter-Ein­käu­fe­rin. Man­che behaup­ten sogar, dass es güns­ti­ger wird, da man bewuss­ter ein­kauft. Tat­säch­lich kauft man eher bei Bedarf frisch ein und ver­wer­tet daher, was man hat und wirft nicht so viel Essen in den Müll. Wenn im Rezept Creme Fraîche ver­langt wird, tut es auch ein Löf­fel Quark aus dem Pfandglas.

Aber 30 km fah­ren? Jeden Monat? Alle zwei Wochen? Unmög­lich! Und auch unlo­gisch! Ich redu­zie­re doch nicht mei­nen Plas­tik­kon­sum, um an ande­rer Stel­le mit mei­nem Die­sel die Luft zu ver­pes­ten. Also ergab sich nach der Fas­ten­zeit erst­mal eine komi­sche Situa­ti­on vol­ler Inkon­se­quenz und wei­te­rem Aus­pro­bie­ren. Wie es der Zufall so will, eröff­ne­te dann aber wun­der­ba­rer­wei­se ein „Unverpackt“-Laden in der Nähe. Vom Arbeits­platz mei­nes Man­nes aus sogar fuß­läu­fig zu errei­chen. Hier las­sen sich von Zeit zu Zeit all die Lebens­mit­tel und Hygie­ne­ar­ti­kel ein­kau­fen, die es sonst nur schwer ohne Kunst­stoff gibt – und dann auch noch kom­plett ohne Ver­pa­ckung bzw. in Pfandgefäßen.

Seit­dem haben wir an man­chen Stel­len mit über­trie­be­nem Ver­zicht gelebt („Das ist in Plas­tik. Das kau­fen wir nicht“), uns aber mit dem Kauf direkt beim Erzeu­ger ange­freun­det, bei dem wir die Ver­pa­ckung auch mal hin­neh­men. Trotz­dem ver­su­chen wir dem gekauf­ten Müll einen wei­te­ren Sinn zu geben, indem wir Plas­tik­be­häl­ter wie­der­ver­wen­den, Tüten zumin­dest noch­mals als Müll­beu­tel ver­wen­den und gene­rell spar­sa­mer mit unse­ren Res­sour­cen umgehen.

Autorin: Naddl Storz