Das Esszimmer

1.     Theologischer Teil

Seitdem ich in der Sonntagschule von Jakob gehört habe, der mit einem – mutmaßlich – unglaublich leckeren Linsengericht seinem hungrigen Bruder Esau das Erstgeburtsrecht abgekauft hat, bin ich großer Fan von Linsen. Zum Glück ist das schwäbische Nationalgericht „Linsen mit Spätzle“.

Essen hat in der Bibel einen hohen Stellenwert. Nicht nur, weil es lebensnotwendig ist und meistens auch nicht, um andere Menschen übers Ohr zu hauen. Zum großen Teil spielt Essen eine entscheidende Rolle darin, Menschen zusammenzubringen. Es ist Zeichen der Gemeinschaft, des Einklangs, des gegenseitigen Vertrauens.

Große Teile der Gesellschaft in Deutschland scheinen ein anderes Verhältnis zu Essen zu haben: die Wertschätzung von Nahrungsmitteln ist irgendwo abhandengekommen. Je leichter Verdorbenes ersetzt werden kann, desto geringer ist der subjektive Wert. Laut BZfE Landen in Deutschland jährlich 12Mio Tonnen Nahrungsmittel im Müll.  

Ein geistlicher Impuls könnte in dieser Woche den Fokus auf den Wert von Nahrungsmitteln an sich und/oder den Gemeinschaft festigenden oder schaffenden Aspekt vom gemeinsam eingenommenen Mahl legen. Ziel könnte eine neu gewonnene Wertschätzung von Nahrungsmitteln sein.

Mögliche Zugänge in der Bibel:

  • Zur Anstrengung der Nahrungsmittelbeschaffung: 1. Mose 3, 17b-19a
  • Essen und Trinken als Synonym für Lebensfreude: Pred 8,15
  • Tischgemeinschaft mit Sündern als Zeichen der Überwindung von sozialen Grenzen: Mk 2,15-17

2.     Thematischer Impuls

Ein plastikarmes oder sogar -freies Leben ist der Versuch, unsere Welt nicht in einem schlechteren Zustand (und hier bedeutet „schlechter“ eine vermüllte Welt, in der Mikroplastik beinahe überall zu finden ist) zu hinterlassen, als wir sie selbst erlebt haben. Zum Schutz unserer Welt gehört zudem auch der verantwortungsvolle Umgang mit den Ressourcen, die wir vorfinden, und die zum Teil zu Nahrungsmitteln verarbeitet werden. Je mehr Nahrungsmittel wir Menschen also verbrauchen, desto mehr Ressourcen (z.B. fruchtbarer Boden, Wasser, Energie) werden verbraucht. Zudem entstehen durch den Transport und die Verpackung weitere Stoffe, die wiederrum belastend für die Welt sind (CO2, Plastik, Kartonagen und vieles mehr). Ein Problem: Bei langen Transportwegen und Lagerung schafft es nicht jedes Lebensmittel frisch und unversehrt ans Ziel zu kommen. Der Anspruch, zu jeder Zeit alles frisch zur Verfügung zu haben, führt zu einem großen Angebot und letztlich auch zur Überproduktion.

Ein paar Zahlen zur Verdeutlichung:

  • Jährlich werden weltweit rund 1,3 Milliarden Tonnen Nah­rungsmittel verschwendet.
  • Ein Drittel der weltweiten Produktion geht bereits bei der Herstellung oder beim Transport verloren, verdirbt in Lagern, Läden oder Haushalten.
  • Im Durchschnitt wirft heute jeder Bundesbürger im Jahr ca. 80 kg Lebensmittel weg. Um diese Menge zu erzeugen, wäre eine Anbaufläche von ungefähr 2,4 Millionen Hektar notwendig, die Fläche Mecklenburg-Vorpommerns.
  • Allein in den reichen Ländern gehen der menschlichen Ernährung laut Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO jedes Jahr 222 Millionen Tonnen an Lebensmitteln durch Verschwendung verloren. Das entspricht annähernd der gesamten Nahrungsmittelproduktion der afrikanischen Länder südlich der Sahara.

3.     Praktische Idee & eigene Erfahrung

Vermeiden

Am besten wäre es ja, überschüssige Nahrungsmittel zu vermeiden. Dazu gibt es viele Tipps, zum Beispiel bei der Verbraucherzentrale (Link siehe Quellen).

Teilen

Wenn man zu viele Nahrungsmittel hat, kann man sie auch einfach teilen. Sog. Foodsharing (engl. food=Essen, sharing=teilen) ist durch die Organisation foodsharing.de sehr einfach geworden. Die Gemeinde in Esslingen ist hier schon jahrelang aktiv:

Erfahrungsbericht zum Foodsharing: EmK Esslingen

Foodsharing ist eine Initiative, die sich ausgehend von Berlin seit 2012 gegen Lebensmittelverschwendung in Betrieben, Supermärkten und Privathaushalten engagiert. Überschüssige Lebensmittel werden „gerettet“ und verteilt. Hier kommen wir ins Spiel: Foodsharing unterhält sogenannte „Fairteiler“, Regale, Schränke oder Kühlschränke, die an öffentlich gut zugänglichen Plätzen aufgestellt sind. Einer davon steht an der Friedenskirche in Esslingen. Es ist ein Schrank, der von den Foodsharern dreimal wöchentlich mit geretteten Lebensmitteln gefüllt wird. Das hat sich inzwischen so herumgesprochen, dass schon ein bis zwei Stunden vorher Bedürftige auf die Foodsharer warten. Wenn die Lebensmittel dann hergebracht werden, geht ein großes Gedränge los, das die Foodsharer inzwischen dank klarer Regeln gut im Griff haben.

Innerhalb von kurzer Zeit werden die Lebensmittel verteilt und es bleibt meistens noch genug übrig um den Fairteiler zu füllen. Foodsharing kümmert sich darum, dass der Fairteiler sauber und hygienisch bleibt und dass auch der kleine Vorplatz vor der Kirche nach der Schlacht wieder gut aussieht.

Viele Menschen, die zum Verteiler an die Friedenskirche kommen, haben sonst mit Kirche wenig zu tun. Hier würde sich ein großes diakonisches Feld eröffnen. Das bisherige Highlight dieser Kooperation war ein Abend in den Sommerferien 2018, an dem die Gemeinde, die Foodsharer und die Anwohner rund um die Kirche aus geretteten Lebensmitteln ein Abendessen gezaubert haben. Es gab über 200 selbstgemachte Knödel mit leckerer Pilzrahmsoße sowie eine üppige Salatbar und Obstsalat zum Nachtisch.

Wir haben gemerkt: Über gemeinsame Interessen lassen sich solche Kooperationen gut schließen. Auch wenn es sonst wenig Kapazität geben sollte: einen Ort für einen Fairteiler zu bieten ist im Alltag kein großer Aufwand, da der Fairteiler von Foodsharing betreut wird. Wir in Esslingen überlegen noch, ob wir im Sommer auch einen Kühlschrank aufstellen können.

Auch die Gemeinde profitiert davon: viele schauen, wenn sie an der Kirche sind, in den Fairteiler und nehmen etwas mit. Für unseren Freitag-Abend-Gottesdienst bekommen wir durch unseren Kontakt zu Foodsharing eine ziemlich geniale, gerettete Brötchenmischung von einem Bäcker, die unser Buffet bereichert.

Viele unserer Kirchengebäude stehen in Wohngebieten oder Innenstädten; beides ist ein guter Standort um sich an Foodsharing zu beteiligen. Mit Foodsharing kann man leicht durch die Plattform Foodsharing.de in Kontakt treten, falls man nicht sowieso jemanden kennt, der/die als Foodsaver/in aktiv ist.

Von Almuth Zipf (EmK Esslingen) und Daniel Obergfell

Quellen / Weiterlesen: